Vergiftetes Brot – Chronik einer Lüge ist ein dichter und beunruhigender Roman, der die ruhige Fassade des provenzalischen Dorfes Val-de-Sangue im Spätsommer 1952 zerreißt. Was als tragische Lebensmittelvergiftung mit Roggenbrot beginnt, entpuppt sich schnell als ein gezieltes, militärisches Experiment zur chemischen Manipulation der Psyche, bekannt als Projekt Chimäre.
Der Roman brilliert durch seine psychologische Intensität. Das Toxin ist ein hochreines, synthetisches LSD-Derivat (LSD-DA), das die tiefsten, unbewussten Ängste der Opfer in Wahnvorstellungen verwandelt: Der Maurer Jean-Pierre Ravel glaubt, aus zerbrechlichem Glas zu sein, und die fromme Élise Perrin meint, sie werde vom Ignis Sacer (Heiliges Feuer) verbrannt. Die Vergiftung ist maßgeschneidert auf die psychologischen Schwachstellen jedes Einzelnen.
Die Ermittlung, geführt vom zynischen Inspecteur Louis Deffand und der brillanten Schweizer Chemikerin Dr. Erika Janssen, wird zum Kampf gegen den kalten, methodischen Agenten 'Cobra', der das Experiment als „Saubermann“ leitet und die Logik der Angst als neue Kriegswaffe betrachtet. Der Bäcker Armand Moreau ist der unschuldige Sündenbock, der geopfert wird, um die offizielle Staatslüge vom „Mutterkornpilz“ (Ergotismus) zu etablieren.
Der Roman endet mit einem beunruhigenden moralischen Dilemma: Die physischen Beweise, Cobras Protokoll und das Gift, müssen vernichtet werden, da die Enthüllung der kalten Wahrheit über die chemische Tyrannei des Geistes die Welt in einen noch größeren politischen Wahnsinn stürzen würde. Die Wahrheit über die molekulare Formel existiert nun nur noch in Erika Janssens Gedächtnis, die zum lebenden Archiv der Gefahr wird. Das „Schweigen“ wird zur letzten, gemeinsamen Waffe der Protagonisten.
Ein hervorragender Roman, der fesselt, lange nachhallt und die Verflechtung von Wissenschaft, Macht und moralischer Verantwortung beleuchtet.
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Gerhard Seiber
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